70 Jahre Luxemburger Abkommen
Samstag, 10. September 2022 - 11:00 (CET/MEZ) Berlin | Author/Destination: Around the World / Rund um die WeltCategory/Kategorie: Allgemein Lesedauer: 8 Minuten Das Luxemburger Abkommen (auch Wiedergutmachungsabkommen genannt, englisch: Reparations Agreement between Israel and West Germany) ist ein am 10. September 1952 geschlossenes Übereinkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland auf der einen Seite sowie Israel und der Jewish Claims Conference (JCC) auf der anderen. Inhalt des Abkommens waren Zahlungen, Exportgüter und Dienstleistungen im Gesamtwert von 3,5 Milliarden D-Mark, um die Eingliederung mittelloser jüdischer Flüchtlinge zu unterstützen, sowie die Selbstverpflichtung der Bundesrepublik zur Rückerstattung von Vermögenswerten. Dieses Abkommen wurde vom Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) im Bundestag mit den Stimmen auch der SPD gegen Teile seiner Regierungskoalition durchgesetzt. 3 Milliarden waren für den Staat Israel bestimmt, 450 Millionen für die außerhalb Israels wohnenden vertriebenen Juden und 50 Millionen für jene, die keiner jüdischen Glaubensgemeinschaft mehr angehörten. Fast gleichzeitig liefen die Verhandlungen zum Londoner Schuldenabkommen. Die Ratifizierung beider Verträge war die politische Vorbedingung, um den Besatzungsstatus aufzuheben und die volle Souveränität der Bundesrepublik herbeizuführen. Die Vereinbarungen wurden in einem förmlichen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel und zwei sogenannten Protokollen schriftlich festgehalten.
Dem Luxemburger Abkommen waren schwierige und teils geheime diplomatische Verhandlungen vorausgegangen. Der junge Staat Israel musste zahlreiche Zuwanderer aufnehmen und stand vor dem Ruin, scheute aber davor zurück, direkte Verhandlungen mit deutschen Regierungsstellen aufzunehmen. Die Aufnahme von Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland löste in Israel erbitterte Auseinandersetzungen aus, die sogar zu Straßenschlachten führten. Die Opposition unter Menachem Begin, die Cherut und die linkssozialistische Mapam, warf den Befürwortern vor, die Würde der Opfer zu missachten, wenn sich die Mörder mit „Blutgeld“ von ihrer Schuld loskaufen wollten. In der Folge kam es zu einem Briefbombenattentaten gegen verschiedene deutsche Beteiligte. Die Regierung des jungen Staates unter David Ben-Gurion benötigte dringend Finanzmittel und sah keinen anderen Ausweg. Erst als die Alliierten sich weigerten, die israelischen Forderungen an beide deutsche Staaten stellvertretend zu stellen, sah sich Israel zu direkten Verhandlungen gezwungen.
Die DDR reagierte nicht auf das Ansinnen, einen Anteil der Gesamtforderungen in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar zu begleichen. Adenauer war bereit, bilaterale Gespräche aufzunehmen, und ging auf die Vorbedingung ein, eine förmliche Erklärung zur Wiedergutmachung abzugeben. Am 27. September 1951 verkündete er in seiner Rede vor dem Bundestag:
„Im Namen des deutschen Volkes sind aber unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten […]. Die Bundesregierung ist bereit, gemeinsam mit Vertretern des Judentums und des Staates Israel, der so viele heimatlose jüdische Flüchtlinge aufgenommen hat, eine Lösung des materiellen Wiedergutmachungsproblems herbeizuführen, um damit den Weg zur seelischen Bereinigung unendlichen Leides zu erleichtern.“
Adenauer traf am 6. Dezember 1951 mit Nahum Goldmann, dem Präsidenten der Jewish Claims Conference, in London zusammen und erklärte seine Bereitschaft, für die Bundesrepublik zwei Drittel der Gesamtforderung zu übernehmen, nämlich eine Milliarde US-Dollar (damaliger Kurswert 4,2 Milliarden DM). Ab März 1952 verhandelten deutsche Diplomaten mit den Delegationen Israels und der JCC. Parallel dazu wurde in London um die deutschen Vor- und Nachkriegsschulden verhandelt. Während die israelische Seite die Einzigartigkeit und Vorrangigkeit der Wiedergutmachungsleistungen betonte, versuchte die von Hermann Josef Abs geführte deutsche Delegation, die Forderungen Israels in das allgemeine Abkommen über deutsche Kriegsschulden aufzunehmen. Dieser Versuch, die Ansprüche Israels und der Juden in der Welt mit den Ansprüchen anderer Staaten zu vermischen und zu verknüpfen, stieß aber auch im deutschen Parlament auf Widerstand.
Öffentlich durchgehend ablehnend sprachen Thomas Dehler, Justizminister aus der FDP, und Franz Josef Strauß, MdB der CSU. Nach einer Umfrage des Allensbacher Instituts befürworteten nur elf Prozent der Bevölkerung das Abkommen vorbehaltlos. Eine Abordnung der Arabischen Liga unter Leitung des Libanesen Ahmed Danouk intervenierte in Bonn, und insbesondere der ägyptische Ministerpräsident Muhammad Nagib drohte bis kurz vor der Ratifizierung im Bundestag 1953, die gegen Israel verhängten Wirtschaftssanktion auch auf die Bundesrepublik auszudehnen. „Nach drei mehrstündigen Unterredungen forderte Staatssekretär Hallstein die Delegation sichtlich erregt auf, die Bundesrepublik so schnell wie möglich zu verlassen.“ Der Auffassung von Völkerrechtlern, es bestehe noch ein Kriegszustand zwischen Israel und den Staaten der Arabischen Liga, das Abkommen verstoße folglich gegen die Neutralitätspflicht, folgte die Bundesregierung nicht.
Die Deutsche Partei beschwor auf einem Parteitag in Goslar eine traditionelle deutsch-arabische Freundschaft gegen die Pläne; die Formulierung gemeinsame deutsch-arabische Interessen benutzte der ehemalige Großmufti al-Husseini, der Adenauer dabei ein Werkzeug des Weltjudentums nannte. Marion Gräfin Dönhoff, eine führende Journalistin der Wochenzeitung Die Zeit, wollte das Abkommen hinauszögern und dem Konflikt mit den Arabern ausweichen, indem sie forderte, erst Geld zu geben, „nachdem Israel und die arabischen Staaten Frieden geschlossen“ haben (Anmerkung: Rückblickend wäre es sicher die beste Lösung gewesen Geld erst dann an alle Parteien der Region zur Verfügung zu stellen nachdem tragfähige Friedensvereinbarungen erreicht worden wären. Das hätte nicht nur Milliarden eingespart, sondern vor allem die Konflikte der Region mangels Kapitals ausgetrocknet. Andererseits war die wirtschaftliche Lage Israels seinerzeit derart prekär, dass die (Über-)Lebensfähigkeit des Staates akut bedroht war. Das Abkommen ebnete so auch den Weg für diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Zusammen mit weiteren Vereinbarungen und Zuwendungsabkommen sind so bis heute etwa 80 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt worden und jährlich kommen wenigstens 3-stellige Millionenbeträge hinzu. Israel bewertet diese Zuwendungen, aber auch solche aus den USA und anderen Ländern, als „Staatseinnahmen“, weshalb das Land heute ein scheinbar ganz bemerkenswertes BIP und Pro-Kopf-Einkommen „erwirtschaftet“ (während der Laufzeit der Vereinbarung haben die deutschen Reparationsleistungen etwa 15% des israelischen BIP ausgemacht, 45.000 Arbeitsplätze geschaffen und das Überleben Israels gesichert). Die tatsächliche Lage der Bürgerinnen und Bürger kann mit der Statistikakrobatik deutlich nicht mithalten).
Lesen Sie mehr auf hdg.de – Luxemburger Abkommen und Wikipedia Luxemburger Abkommen (Sicher Reisen - Die Reiseapp des Auswärtigen Amtes - Wetterbericht von wetter.com - Global Passport Power Rank - Travel Risk Map - Democracy Index - GDP according to IMF, UN, and World Bank - Global Competitiveness Report - Corruption Perceptions Index - Press Freedom Index - World Justice Project - Rule of Law Index - UN Human Development Index - Global Peace Index - Travel & Tourism Competitiveness Index). Fotos von Wikimedia Commons. Wenn Sie eine Anregung, Kritik oder einen Hinweis zu dem Beitrag haben, freuen wir uns auf Ihre E-Mail an kommentar@wingsch.net. Nennen Sie dazu im Betreff bitte die Überschrift des Blogbeitrags, auf den sich Ihre E-Mail bezieht.
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